Jauchzet und frohlocket! – ein winterlich-facettenreicher Abend

Als am Ende sich alle 70 jugendlichen Musiker:innen im Chorraum der Erlöserkirche zum großen Finale versammelten um gemeinsam mit den Zuhörern „O du fröhliche“ anzustimmen, musste sich so manche/r Besucher:in eine Träne der Rührung verkneifen. Was für ein grandioses Schlussbild nach einem fast zweistündigen Konzert und vor allem drei Jahren Corona! Am Hagerhof kann seit diesem Schuljahr endlich wieder richtig live musiziert werden – und die jungen Musiker:innen zeigten eindrucksvoll, wie!!! 

Zum Auftakt eröffnete stimmungsvoll der Unterstufenchor und leitete mit „Stern über Bethlehem“ und „Engel über den Feldern“ in die Weihnachtsstimmung ein. Da neben einigen Schülerinnen just auch zwei Musiklehrerinnen kurzfristig ausfielen, half kurzerhand die Leiterin des Orchesters, Natalia Kazakova, am Dirigat, während Musiklehrer Jürgen Roth am Klavier begleitete – das Prinzip des „Gegenseitig-helfens“ setzte sich fast den ganzen Abend fort. Einen Teil der Moderation übernahm somit Antonia Gutermuth, eine Schülerin aus der Q1, die zusammen mit ihrem Musiklehrer Roth kurzweilig und sehr souverän durch den Abend führte und diesen vor einem großen Dilemma rettete.

Dieses brachte Roth mit einigen – nicht ganz ernst gemeinten ironischen Fragen – auf den Punkt: „Was wäre Kurt Felix nur ohne Paola gewesen, Thomas Gottschalk ohne Michelle Hunziker oder Bastian Schweinsteiger ohne Esther Sedlaczek, liebes Publikum?“ Aber zum Glück fand ja, die von der Fachkonferenz Musik eilig einberufene „Experten-Kommission“ – aktuell wohl „State of the Art“-, mit dem Hagerhof-Eigengewächs eine charmante Mitmoderatorin, die in ihrem Eröffnungsstatement aber direkt einen ernsten Hintergrund in den Blick nahm. Jauchzen und frohlocket“ (das Motto des Abends), „können ganz viele Menschen in Osteuropa aktuell nicht! Deshalb haben wir uns entschlossen, den gesamten Spendenerlös des Abends den Menschen in der Ukraine zu widmen!“  

Mika Doman aus der Klasse 5 zeigte dann an der Trompete mit „Schneeflöckchen, Weißröckchen“, trotz seines jungen Alters, vor den voll besetzten Rängen keinerlei Nerven. Mit dem „Junior Blasorchester“ feierte danach eine von drei neuen Instrumentalgruppen an der Musik- und Musicalschule Schloss Hagerhof Premiere. Äußerst schwungvoll wurden zwei Klassiker der anglo-amerikanischen Weihnacht dem staunenden Publikum präsentiert : “We wish you a merry Christmas“ und „Jingle Bells Rock“.  

Pastorin Britta Beuscher verwies in ihren Grußworten auf die Hoffnung, die in der Weihnachtsbotschaft steckt und welcher Friede für alle davon ausgehen kann. Die einfache Wahrheit („Simple Truth“) präsentierte danach an der akustischen Gitarre Robert Funk zusammen mit seinem Gitarrenlehrer Vlad Vashenko. Entgegen des Titels war das Stück aber alles andere als „einfach“ und verlangte dem jungen Musiker äußerste Präzision und Musikantentum ab! 

Das Junge Vokalensemble zeigte, dass, trotz des Fehlens der erkrankten Chorleiterin Marie-Dorothea Wählt-Beste unter der souveränen Leitung von Antonia Gutermuth, die einstudierten Lieder viel Weihnachtsstimmung zaubern konnten. Mal poppig mit dem Duett „Do you want to build a snowman?“ oder getragen mit dem englischen Weihnachtslied „Away in a manger“ und nicht zuletzt wartend voller Ungeduld auf den Weihnachtsmann mit „Morgen kommt der Weihnachtsmann“. 

Wie weit man mit Talent und viel Üben kommen kann, zeigte im Anschluss Liina Lander. Sie interpretierte auswendig Chopins „Minutenwalzer“ derart klangschön und reif, dass das Publikum ergriffen danach die junge Künstlerin mit tosendem Applaus nochmal auf die Bühne bat! 

Der Musicalchor ist ein Ensemble von älteren Schüler:innen, die schwungvoll und äußerst intonationssicher ein „Frohe Weihnacht“ in unterschiedlichen Sprachen von W. König sangen und danach mit einem Arrangement von zwei französischen Carols („Ding Dong! Merrily on High“ und „He is born“) ihre Vielseitigkeit unter Beweis stellten. Abschließend interpretierten sie hingebungsvoll aus dem Bamberger Gesangbuch „Lieb Nachtigall, wach auf“.  

Die beiden Sängerinnen Antonia Gutermuth und Joseline Albayrak demonstrierten auf allerhöchstem Niveau in ihrem Adventsduett das klangreiche „What child shall come?“ eingebettet in das bekannte „Carol of the Bells“ und „What child is this“. Zauberhaft und ein weiterer Beweis dafür, welch tolle Arbeit an der Musik- und Musicalschule geleistet wird! 

Schulleiter Dr. Sven Neufert nahm mit seinen Betrachtungen Bezug auf das große Finale, in dem alle Teilnehmenden das bekannteste deutsche Weihnachtslied „O du fröhliche“ sangen. Er verwies darauf, dass es von dem Weimarer Waisenpädagogen Johannes Daniel Falk 1815 gedichtet wurde – am Ende einer Periode, in der Europa Jahrzehnte im Krieg versunken war. „Welt ging verloren, Christ ist geboren“, sei das zentrale Versprechen der Weihnacht: „Wir erneuern es auch dieses Jahr, ob gläubig oder nicht, indem wir an unsere Kinder und Ihre Kraft glauben, die Welt zum Guten zu verändern.“ 

Seit diesem Schuljahr gibt es am Hagerhof auch ein Streichorchester, welches – neben dem Blasorchester und der Bigband – wöchentlich im Musiktrakt probt. Diese Ensembles waren bis zum Sommer noch ein paar Meter westlich auf der „Insel Nonnenwerth“ beheimatet und haben nun, zusammen mit ihren Lehrer:innen, am Hagerhof ein neues Zuhause gefunden. Dass die Schüler:innen dafür einen großen zeitlichen Aufwand in Kauf nehmen (einige gehen mittlerweile in Koblenz zur Schule), zeigt, zu welch großer Verbundenheit Musik in der Lage ist. Dies nötigte auch dem Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Rhein-Sieg II, zu dem Bad Honnef gehört, Norbert Röttgen (CDU), höchsten Respekt ab. Er ließ aus dem fernen Berlin Grußworte sowie sein Bedauern übermitteln, nicht live vor Ort dabei sein zu können! 

Die Camerata NWTH (entsprechend für „Nonnenwerth-Camerata-wandert-to-Hagerhof“) trug zum Abschluss des ersten Teils des Konzertes vier wunderschöne Stücke bei. Zu Beginn den Kanon „Ding-Dong-Bells“, welches das Orchester zur Begleitung aller Sänger:innen der Musicalschule stimmungsvoll spielte und klangschön darbot. Das darauffolgende Werk „Entrance of Queen of Sheba“ von G.F. Händel, solistisch bereichert durch die Solistinnen Johanna von Bargen (Violine) und Mia Rother (Violine), meisterte das Orchester sehr musikalisch, souverän und festlich.

Sodann war das Solisten-Ensemble mit Suho Lim (1. Solo-Violine), Aidan Corbacioglu (2. Solo-Violine), Johanna von Bargen (Violine), Hirotake Aisawa (Violine), Mia Rother (Viola), Natalia Kazakova (Violoncello) und Tristan Moritz (Violoncello) zu hören, welches dem Publikum eine fulminante Version des Concertos in D-Moll für zwei Violinen, Violoncello und Streicher, Op. 3 no. 11, RV. 565 bot. Die beiden Geigengastsolisten der BIS, Bonn wurden in der Violinklasse von Hirotaka Aisawa ausgebildet und konnten durch ihre einwandfreie Technik und Virtuosität ihre Fähigkeiten und Geschick präsentieren. Schließlich erklang das überzeugend dargebotene Stück „Zooster Breakout“ von Hans Zimmer, arrangiert von einem ehemaligen Camerata-Mitglied, Mark Braun, und bildete einen letzten Höhepunkt, bevor es in die Pause ging.

Nach einem sehr kurzweiligen ersten Teil eröffnete das Saxophonensemble unter der Leitung von Thomas Heck den finalen Part. Mit ihrem ersten Titel „Adeste Fideles“, den man gut auch – siehe oben – durch „Adeste Musici Et Spectatores“ untertiteln konnte, versuchten Anna Michel, Julia Mazur, Fabian Bischoff und Sebastian Lüchow aus den Reihen der Bigband mit weihnachtlicher Vierstimmigkeit die Kirche zu erfüllen, was bestens gelang. Auch die spirituelle Stärkung im Anschluss „God Rest Ye Merry Gentlemen“ fügte sich nahtlos daran an und bereitete die Weihnachtsgeschichte vor. 

Für ein herkömmliches Weihnachtskonzert vielleicht etwas ungewöhnlich, führte danach eine junge Schauspieltruppe unter der Leitung von Carsten Krause eine Neuaufführung von Dickens Weihnachtsgeschichte auf. Der Clou dabei war, dass dies vor den staunenden Augen der knapp 400 Konzertbesucher:innen teilweise improvisiert wurde. Besonders stachen hierbei Olivia Schmitt als Mrs. Scrooge und Emilia Müller als deren Nichte hervor. Die Bigband unter der Leitung von Thomas Heck und Jürgen Roth präsentierte mit den Titeln „Harlem Nocturne“, „The Most Wonderful Time Of The Year“ und „Santa Baby“ drei Titel, die Weihnachtliches, Jazzorchesterarbeit und Solistisches harmonisch verbanden. Anna Michels (Altsaxophon), Jakob Weyland (Trompete) und Celina Klix (Gesang) meisterten ihre Soloparts glanzvoll.

Das Ensemble deutete an, was in der nächsten Zeit orchestral möglich werden kann, wenn alle Kräfte gebündelt werden und gut organisiert zusammenarbeiten. Und ganz zum Schluss erklang noch als Zugabe „What A Wonderful World“, um alle Anwesenden in eine kalte Adventsnacht hinauszugeleiten. 

Die Dankesworte vor dem großen Finale richteten sich zum einen an die großartige Unterstützung der evangelischen Erlöserkirche mit Pastorin Britta Beuscher, Diakon Simon Schilling sowie Küster Sergej Luta, die ihren stimmungsvollen Kirchenraum für einen Musikgenuss erster Güte zur Verfügung stellten, sowie den vielen Helfer:innen in der Verwaltungs- und Leitungsebene des deutschlandweit einzigen Montessori-Internates, die mit viel Herzblut allen Krankheitsfällen zum Trotz das Konzert ermöglichten. 

Musik wird eben am Hagerhof mit großen Buchstaben geschrieben! Und so machten sich die Besucher:innen und Teilnehmer:innen nach über zwei kurzweiligen Stunden durch das winter-wunderliche Bad Honnef weihnachtlich-beseelt auf ihren Heimweg. 

Text: Jürgen Roth, Fotos: Martin Lehnert